Veranstaltung: | 50. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Antragshistorie: | Version 5 |
Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete kritisch begleiten - Diskriminierungsfreiheit sicherstellen
Beschlusstext
Mit den Beschlüssen des deutschen Bundestages und des Bundesrates haben die
Länder im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes nun zusätzlich zu bestehenden
Wegen die Möglichkeit, Leistungen für Asylsuchende nun auch per Bezahlkarte
auszureichen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht die derzeitigen Debatten um die
Ausgestaltung dieser Maßnahme durch Länder und Kommunen kritisch.
Die Einführung der Bezahlkarte birgt die Gefahr, dass die gesellschaftliche
Integration und Teilhabe durch Asylsuchende erschwert oder eingeschränkt wird.
Hier bleiben wir mit Blick auf die Ausgestaltung der Bezahlkarte in den Kommunen
aufmerksam. Neben offensichtlichen Problemen wie der Stigmatisierung durch eine
mögliche Erkennbarkeit der Karte und den sozialen Hemnissen, die damit
einhergehen, betrifft dies bspw. auch Kinder und ihre Bedarfe in hohem Maße.
Die gesellschaftliche Teilhabe soll dadurch gewährleistet sein, dass ein Teil
der Summe als Bargeldbetrag abgehoben werden könne, wenn bspw. eine
Kartenzahlung nicht möglich ist. Dennoch ist es höchst fragwürdig, inwieweit
diese Geldbeträge ausreichen. Im Beispiel von Hamburg erhalten erwachsene
Geflüchtete 50 € und Kinder 10 € im Monat. Dadurch ist soziale Teilhabe faktisch
nicht möglich. Darüber hinaus ermöglicht die Bezahlkarte den Behörden, die
Einkäufe der Nutzer*innen zu kontrollieren und vorzuschreiben, an welchen Orten
eingekauft werden darf, was die Würde der Asylsuchenden stark verletzt.
Eine Bezahlkarte verlagert zudem nur die aktuelle Problemlage auf die Kommunen,
die bereits jetzt mit einer Vielzahl von Herausforderungen im Umgang mit
Geflüchteten konfrontiert sind. Die Kosten zur Einführung und Verwaltung der
Karte führen zu einer zusätzlichen Belastung. Außerdem sollen Kommunen
ermitteln, welche Bargeldbeträge für soziale Teilhabe vor Ort nötig wären. Das
stellt einen immensen bürokratischen Aufwand dar, der in keiner Relation zum
scheinbaren Nutzen der Bezahlkarte steht.
Darüber hinaus wird von einigen Akteur*innen gehofft, dass die Bezahlkarte
Deutschland für Asylsuchende unattraktiver macht. Allerdings fliehen
Asylsuchende nicht wegen der vermeintlich attraktiven Bedingungen nach
Deutschland, sondern vor Hunger, Krieg und Verfolgung in ihren Herkunftsländern.
Die zuletzt auch durch einzelne CDU-Vertreter*innen vorgestellte Idee, solche
Karten als Erfolgssystem zu betrachten und bspw. auf Bürgergeldempfänger*innen
auszuweiten, ist nicht nur Ausdruck von zusätzlicher Gängelei, sondern auch
potentiell verfassungswidrig.
Mit der jüngsten Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes steht neben
Bezahlkarte und Geldleistung gleichrangig das Sachleistungsprinzip.
Sachleistungen diskriminieren Geflüchtete im Zeitraum des Grundleistungsbezuges
(36 Monate) und sind nicht mit unserer Vorstellung humanitärer Migrationspolitik
und einer Willkommenskultur vereinbar. Daneben stellt die Sachleistungsgewährung
Kommunen vor weitere logistische und finanzielle Herausforderungen. Die quasi-
Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips ist ein diskriminierender
Rückschritt, ein großes Teilhabehemmnis und ein Einfallstor für autoritär-
populistische Kräfte, welche damit über Fresspakete und Wertgutscheine ihre
Vorstellung abschreckender, diskriminierender Asylpolitik umsetzen können.
Angesichts dieser Gefahren bestärken wir alle bündnisgrünen
Kommunalpolitiker*innen in Sachsen-Anhalt sowie die bündnisgrüne
Landtagsfraktion, sich gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete
auszusprechen, wenn diese grundsätzliche Freiheiten von Asylsuchenden bei der
Nutzung der ihnen zustehenden Mittel einschränkt. Die SocialCard der Stadt
Hannover zeigt ein Beispiel, wie stattdessen eine diskriminierungsfreie Nutzung
der Bezahlkarte ausgestaltet werden kann. Daran wollen wir uns politisch
orientieren. Stattdessen soll der Zugang zu Girokonten in den Fokus gerückt
werden, um größtmögliche Teilhabe zu gewährleisten und die Autonomie
Geflüchteter zu stärken.
Begründung
erfolgt mündlich